Noch vor unserer Übernachtung an der “Laguna Cuicocha” überlegten und recherchierten wir ein wenig, welche Berge in den nächsten Tagen und Wochen für uns in Frage kommen könnten. Idealerweise wollen wir immer zusammen unterwegs sein. Das heißt die Touren können nicht zu lang und zu schwierig sein. Dazu kommt das von 3 Familienmitgliedern eines verletzt (Kreuzbandriss… juhu) und eines erst 5 Jahre alt ist. Recht schnell stießen wir also auf den Fuya Fuya Vulkan. Am nächsten Morgen kam unser dortiger Host gleich auf uns zu und deutete auf das nebellose Panorama. „Heute ist ein ganz besonderer Tag. Man kann alle vier aktiven Vulkane sehen.“ Gemeint waren der Imbabura (4610m), der Cayambe ganz im Hintergrund (5790m), der Fuya Fuya (4263m / 4279m) sowie der direkt hinter uns aufragende Cotocachi (4935m). Und so erhielten wir zum ersten Mal wie aus dem Nichts einen Blick auf den doppelgipfligen Fuya Fuya Vulkan. Aus der Ferne schonmal ein lohnenswertes Ziel.
Versuch Nummer 1
So setzten wir uns gegen 11:00 Uhr in Bewegung und fuhren nach Google Maps Route los. Der Weg führte uns durch Otavalo und dann weiter südwärts die Panamericana entlang, bis wir ziemlich genau im Süden von der “Lagunas de Mojanda“ waren, die sich am Fuße des Fuya Fuya ausbreitet. Wir bogen ab und folgten einer üblen Kopfsteinpflasterpiste, die sich nach kurzer Zeit in einen – zugegebenermaßen – guten Feldweg wandelte. So schraubten wir uns samt der Giraffe langsam (mehr als 1. Gang geht nicht – bei der letzten Tankstelle gab es nur Russendiesel) den Berg hinauf. Von ca. 2600m rund um Otavalo bis auf etwa 3700m war alles schick. Dann folgte ein deutlich steileres Stück, welches darüber hinaus einige riesige Bodenwellen samt Felsbrocken bereit stellte. Uns blieb nichts anderes übrig als mitten am Berg anzuhalten. Ein erneuter Versuch anzufahren scheiterte kläglich. Was machen die ganzen Tuningkids immer damit ihre Kisten schneller fahren? Offener Luftfilter. Alles klar. Schwups war der Luftfilter ausgebaut. Er verschwand samt Abdeckung im Kofferraum. Ohh, die Giraffe kann mit ihren mittlerweile 109 Öko-getunten Diesel-PS ja richtig zornig klingen. Wir ließen uns zurück rollen und nahmen erneut Anlauf. Getreu dem Motto „es gibt nur ein Gas“ preschten wir mit Vollgas der Schlüsselstelle entgegen. Jetzt nur nicht das Gas lupfen. Sonst bleiben wir wieder stehen. Dementsprechend flogen wir und alle Innereien der Giraffe über diese Stelle. Mit einer Mischung aus Verwunderung, Respekt und Freude blickten wir uns an, während wir weiter Höhenmeter machten. Wie weit es wohl noch gehen wird?
Nach einer Weile, der Höhenmesser zeigte mittlerweile 4005m über dem Meeresspiegel, erreichten wir einen Sattel. Rund 300m unter uns erblickten wir zum ersten Mal die wunderschöne Lagune. Durchatmen und respektvolles Lenkradtätscheln war angesagt. Wir rollten langsam, dem Weg weiter folgend, der Lagune entgegen. Nach etwa 100m blieben wir erneut stehen. Hier geht es aber richtig steil hinunter. Das müssen wir ja auch wieder hinauf. Meik lief den Hang abwärts um die Strecke zu inspizieren. „Ich denke ich würde es lieber nicht machen“ fanden wir schnell Übereinstimmung. Was nun? Wir zückten die Telefone und recherchierten erneut. Wie machen das denn andere? Gibt es vielleicht noch einen anderen Weg? Auf iOverlander fand Jana eine Beschreibung von jemandem, der offenbar einen viel besseren Weg von Norden kommend gefahren war. Auf der Karte folgten wir dem Weg und kamen an der anderen Seite der Lagune heraus. Das sieht doch gut aus. Auch der Hinweis das Google diesen Weg nicht kennt (hätten wir auch schonmal früher lesen können), ermutigte uns doch den steilen Hang langsam herunter zurollen. Schließlich können wir dann drüben den anderen Weg wieder zurückfahren. Gesagt getan und so tasteten wir uns langsam der Lagune entgegen. Auf deren Höhe angekommen, führte die Strecke nun einmal außen ganz herum. Sieht eigentlich machbar aus und so fuhren wir weiter. Der gute Feldweg musste nun des Öfteren der Feuchtigkeit Tribut zollen und so schlitterten wir schon verdächtig oft um die Kurven. Es folgte eine Steigung. Wirklich rutschig hier. Wieder Vollgas. Wir bewegten uns von links nach rechts und wieder zurück. Dazu wurden wir immer langsamer und nach einer leichten Linkskurve kapitulierten auch unsere nigelnagelneuen All-Terrain Reifen (ohne die wir gar nicht bis hierhin gekommen wären). Anfahren bei dem Schlamm? Keine Chance. Immerhin stehen wir ziemlich in der Mitte. Langsam hinunterrollen lassen und einen neuen Versuch starten. So zumindest der Plan. Beim Rückwärtsrollen merkte man schon, dass die Vorderräder nicht wirklich Halt fanden. Das grobe Profil war mittlerweile auch schon komplett zugesetzt und so wurde es immer schwieriger in der Mitte des Weges zu bleiben. Plötzlich schrie Jana nur noch „Halt!“. Das hintere rechte Rad klebte schon an der Außenseite der Kurve. Beim Versuch dort wegzukommen stellte sich die Giraffe immer querer. „Scheiße, scheiße!“ kam nur noch aus Jana‘s Mund, die schon eine Weile neben dem Auto unterwegs war um den richtigen Kurs zu dirigieren. Lass uns versuchen Stück für Stück nach vorne zu schaukeln, so dass wir die Kurve kriegen. Zwei große Steine unter den Hinterrädern sollten ein weiteres Zurückrutschen verhindern. In Zentimeterschritten wackelten wir uns den Hang wieder hinauf. Die Steine immer wieder nachschiebend. Unsere neu erworbene Schaufel war auch bereits im Einsatz um die Erde unter den Rädern wegzuschaufeln. Nach einem tiefen Spatenstich schaffte Meik es auch direkt, die Schaufel abzubrechen. Kaufste billig, kaufste zwei Mal. Jaja, aber musste das gerade jetzt passieren?
Irgendwie schafften wir es die Giraffe in einen Winkel zu bekommen, sodass wir die Kurve schließlich ganz knapp und mit Streifen der Böschung bekamen. Puhh, immerhin sind wir hier nicht im Nichts (Handynetz gab es schon lange nicht mehr) gestrandet. Wir müssen zurück. Aber da war ja noch dieser steile Hang. Es hilft nichts. Da müssen wir jetzt durch. Gott sei Dank kam direkt vor dem Endgegner ein flacheres Stück das es Meik erlaubte, den zweiten Gang mit letzter Motorkraft einzuwerfen und Vollgas zu geben. Mit 55 Km/h schossen wir nun den Hang hinauf. Einfach nur drauf bleiben. Alles flog außen wie innen herum und kurz bevor der zweite Gang kräftemäßig den Geist aufgab, erreichten wir ein flacheres Stück. 1. Gang reinwürgen und weiter Bleifuß. Kurz danach fanden wir uns überglücklich auf 4005m wieder. Jetzt erstmal durchatmen (und pullern). 🙂
Hier oben übernachten und morgen hinunterfahren oder jetzt noch zurück nach Otavalo um morgen einen erneuten Anlauf zu starten. Wir entschieden uns für Zweiteres, da die Sonne uns noch eine gute Stunde begleiten sollte. Nach zähen 90 Minuten erreichten wir das Hostel unserer Wahl. Es war schon stockdunkel. Wie immer nichts los um diese Jahreszeit. Als der freundliche Mann das große Tor öffnete und sich ein steiler (und natürlich) nasser Grashang offenbarte, trafen sich unsere resignierten Blicke. Immerhin passt es zum Tag. Die 3 Versuche diesen rund 20m langen Hang hinaufzukommen, scheiterten wieder kläglich. Zum Glück konnten wir vor der Tür direkt an der steilen Straße parken und die Nacht verbringen. Im Bett fühlte es sich so an als ob man stehen würde. So steil war es. Völlig geschafft schliefen wir ein.
Versuch Nummer 2
Der nächste Morgen begrüßte uns mit warmen Sonnenstrahlen. Ich glaube das Mitleid war auf unserer Seite. In der Zwischenzeit hatten wir auch schon den „richtigen“ Einstiegspunkt in die Straße ausgemacht. Der Weg war also klar. Wir hielten noch kurz auf einem der kleinen traditionellen Märkte, der eine Unmenge von wunderschönen einheimischen Kleidungsstücken bereit stellte. Hierfür nehmen wir uns aber ein anderes Mal Zeit. Jetzt geht es erstmal zur Lagune.
Völlig problemlos folgten wir der fast schon guten Kopfsteinpflasterstraße (wieder im 1. Gang – hoffentlich ist der Tank bald leer) direkt bis zur Lagune. Warum einfach wenn es auch schwierig geht? Das Gute an einer Weltreise ist allerdings, dass man von einer Sache fast unendlich hat: Nämlich Zeit. Angekommen an der Lagune stellten wir die Giraffe direkt an den Rand in eine sonnige Einbuchtung und gönnten ihr und uns für den Rest des Tages Ruhe. Es geht definitiv schlechter. Am Abend, als die paar Tagestouristen das Feld geräumt hatten und wir ganz allein hier oben auf stattlichen 3740m waren, konnte man die Stille wieder förmlich hören. Ich liebe das. Abseits des Lärms der Städte lassen sich solche Augenblicke einfach nur genießen. Das ist Weltreise!
Am nächsten Morgen klingelte um 5 Uhr der Wecker. Der frühe Bergsteiger fängt den Wurm. Ähm Gipfel. Das Thermometer zeigte in der Giraffe frostige 5 Grad. Nach einem warmen Tee und Zwiebel-Bekleidungs-Taktik ging es los. Der Weg zum Fuya Fuya Ostgipfel auf beachtlichen 4263m über dem Meeresspiegel (das Tagesziel für heute) ist dank der eingetrampelten Pfade relativ einfach ersichtlich. Das nasse Gras verursachte bei uns beiden Großen aber erstmal nur eine nasse Hose und bei Mika zusätzlich noch kalte Hände. Direkt am ersten Hang folgten die ersten Proteste: „Es ist zu nass. Mir ist kalt. Ich habe Durst. Ich muss meine Nase putzen. Ich muss mal pullern. Ich habe keine Lust.“ Nach einer kleinen Ermutigung erreichten wir schließlich den ersten Sattel, ab dem das Gelände wieder deutlich flacher wurde. Mika übernahm die Führung und stiefelte voran. Voller Tatendrang rief er uns vorauseilend zu, wo wir denn bleiben würde. Uns ist an dieser Stelle übrigens bewusst, dass wir aus ihm eventuell einen weltreisenden Bergsteiger machen. Naja, warum auch nicht?
Ungefähr auf der Höhe auf die wir gestern mit der Giraffe gelangt sind, machten wir auf einem großen Felsbrocken Pause. Ein kurzer Blick auf die Route bestätigte es: Da müssen wir jetzt hinauf. 200 Höhenmeter die sich stark aufsteilend vor uns aufbauten. Es folgte noch eine kurze Gratulation zum Höhenrekord von Mika und Jana und los ging es. Kurz nach der Pause folgte Mika‘s Tiefpunkt des heutigen Tages. Gut, immerhin waren wir jetzt schon gute 2 Stunden im steilen Gelände unterwegs und wir befanden uns auf deutlich über 4000m. Jana war mittlerweile vorausgegangen. Mika‘s ständige Pausen und Nörgeleien taten dem verletzten Knie nicht so gut. Halb hochtragend, halb hochschiebend arbeiteten wir uns dem Sattel auf rund 4200m entgegen. Mit letzter Überredungskraft schafften wir es schließlich alle 3 dahin. Jetzt nur noch die letzten gut 60 Höhenmeter durch deutliches flacheres Gelände bis zum Gipfel.
Und da war er. Der Gipfel. Wie auf einem kleinen Markplatz standen wir auf einmal auf 4263m! Richtig richtig gut! Es folgten Glückwunschknutscher und eine Fotosession. Wir genossen den grandiosen Blick auf das Tiefland, die Lagune sowie den direkt gegenüber liegenden West- bzw. Hauptgipfel. Die 45 Minuten bis dahin gingen wir allerdings nicht an. Man muss es ja nicht übertreiben. Schließlich ist der Gipfel erst der halbe Weg.
Nach 30 Minuten begaben wir uns auf den Abstieg. Unkompliziert und schnell vorankommend kamen wir wieder der Lagune entgegen. An den steilen Stücken seilten wir Mika mit einem alten Hanfseil im Doppelstrang um den Bauch an. So müssen es die Veteranen in den Anfängen des Alpinismus gemacht haben. Von oben sahen wir nun auch andere Gipfelwillige die gen Himmel stiegen. Ein kurzes „Have fun!“ und „Be safe!“ und weg waren wir. Kurz vor dem Mittag kamen wir glücklich und geschafft zurück zur Giraffe.
Mika‘s und Jana‘s erster Gipfel über 4000m. Glückwunsch zu dieser super Leistung! Dank unserer guten Akklimatisierung – 3 Nächte auf 2200m, 1 Nacht auf knapp 3000m, eine Nacht auf 2630m und eine weitere Nacht direkt vor dem Aufstieg auf 3740m an der Lagune – hatten wir keinerlei Probleme die 530 Höhenmeter zu meistern. Auch das Pulsoxymeter zeigte bei uns allen am Abend vor der Tour ca. 90% Sauerstoffsättigung. Das lässt uns positiv gestimmt für unsere zukünftigen Abenteuer zurück. Stay tuned. 🙂
Poah, ihr seid verrückt!
Was für eine Leistung, ich zieh den Hut… Und finde es enorm lässig 🙂
Vielen Dank liebe Kathi. 🙂
Samma, so ein kleines Bissel verrückt seid ihr schon… aber gefällt mir 👍
@Steffen Hast du was anderes erwartet 😉😋?!
[…] Danach sollte es zum Hauptziel des Tages gehen, die Lagunas de Mojanda bzw. der Vulkan Fuya Fuya, den wir besteigen wollten. Wie abenteuerlich sich das gestaltete, lest ihr am besten in unserem eigens dafür erstellten Artikel. […]